In jedem Februar ziehen schwangere Robben in Richtung Norden, um ihre Jungen an den Küsten von Labrador, Neufundland, Baffin Island und Pribilof Island in Alaska zur Welt zu bringen. Aber noch bevor ihr Nachwuchs vier Wochen alt ist, werden viele der Babies bereits auf grausige Weise abge schlachtet.
Warum überhaupt diese "Jagd" ?
In den Regionen des heutigen Nord- Kanada und Alaska werden Robben von den Menschen schon seit mehr als 400 Jahren bejagt, zum einen, um kommerzielle Gewinne zu erzielen, und zum anderen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Seit der Jahrhundertwende, als die Zahl der Robben noch über zehn Millionen betrug, wurden schätzungsweise 17,5 Millionen Robben abgeschlachtet. Heute beträgt die Gesamtzahl der Robben in den Meeren Nordamerikas nur noch etwa eine Million.
Robben wurden aus vielen Gründen gejagt. Auch wenn manche der eingeborenen Aleuten noch das Fleisch essen mögen, so werden doch die meisten der Tiere, insbesondere die Babies, gejagt, um an die Felle der "Whitecoats", der Jungtiere im Alter von bis zu drei Wochen, zu kommen. Ihr Fell sieht zwar für das Auge weiß aus, in Wirklichkeit ist es jedoch transparent, damit die Sonnenstrahlen durchgelassen werden und das Robben baby wärmen können. Andererseits hält dieses Fell die kalten Winde ab. Diese Felle werden im wesentlichen für teure Pelzmäntel sowie für Besätze und Futter von Stiefeln und Handschuhen benutzt. Die Häute älterer Tiere werden meist für die Lederherstellung verwendet, und die Penisse der männlichen Tieren werden gewöhnlich nach China als Aphrodisiaka verkauft. Das Fett unter der Haut kann für Margarine und als Maschinenschmiermittel Verwendung finden. Das übrige Fleisch wird zu Tierfutter verarbeitet.
Viele Ureinwohnervertretungen behaupten, die Robbenjagd sei nicht nur eine "Tradition", sondern auch wesentlicher Teil ihres Broterwerbs. Da die Tiere jedoch nur in einem sehr begrenzten Bereich zu finden sind und sich dort nur so lange aufhalten, bis sie ihre Jungen geboren haben, bleiben einem Jäger nur etwa 5 Wochen für die Jagd, wobei er ganze $ 700 verdient.
Regierungsvertreter und Fischer behaupten, die Robben müßten zahlenmäßig unter Kontrolle gehalten werden, um die Fischpopulationen zu schützen. Allerdings ernähren sich Robben hauptsächlich von einer Fisch art, die nicht kommerziell befischt wird, nämlich dem Kapelan oder Dickmaul, und es gibt wenig Beweise dafür, daß Robben einen ausschlaggebenden Einfluß auf kommerziell ausgebeutete Fischarten haben. Und selbst wenn die Robben solche Fischarten verzehren würden, so sind sie doch nur so kurze Zeit in diesem Gebiet, daß es höchst unwahrscheinlich ist, daß sie viel Schaden anrichten.
Aber wie dem auch sei: angestrebte Erfolgszahlen der Fischin dustrie sind doch in keinem Falle eine Rechtfertigung für das Abschlachten der Robben.
Methoden der "Jagd"
Moderne Robbenjäger verwenden Hubschrauber, um herauszufinden, wohin die Robben gezogen sind. Hat man den Standort der Tiere ausgemacht, werden Eisbrecher mit den Robbenjägern losgeschickt, um sie zu finden. Die Robbenmütter, die ihre Babies nicht im Stich lassen wollen, bleiben oft bei ihnen, um sie zu verteidigen. Hat man die widerwilligen Mütter erst einmal beseitigt, töten und häuten die Jäger die völlig verängstigten Babies, die noch zu jung sind, um zu flüchten oder sich zu verteidigen.
Die Robbenbabies werden erschlagen, erschossen oder ertränkt. Die gängigste Methode ist das Erschlagen mit einem Knüppel: Die Jäger versuchen, die Tiere durch einen gezielten Schlag bewußtlos zu machen, oder sie zertrümmern ihre Schädel mit Schlägern aus hartem Holz, ähnlich Baseball- Schlägern. Dazu sind meist zwei bis drei kräftige Schläge erforderlich. Oft stellen die Robben sich tot, dann werden sie von den Robbenjägern bei lebendigem Leibe gehäutet. Manche Jäger benutzen einen Knüppel mit einem langen Metallhaken an einem Ende. Dieser tötet Robben schneller als ein Knüppel mit einem stumpfen Ende. Ist jedoch die Robbe bereits so alt, daß sie eine ausreichende Fettschicht aufgebaut hat, dann durchdringt der Metallhaken lediglich diese Fettschicht und erreicht den Schädel nicht einmal. Also werden auch bei dieser Methode die Robben häufig bei lebendigem Leibe gehäutet. In den letzten Jahren wurden auch Gewehre benutzt, aber auch deren Verwendung garantiert nicht, daß die Tiere tot sind, bevor sie gehäutet werden. Und dann entkommen noch viele Robben, nur um kurz darauf qualvoll an Blutverlust oder einer Infektion zugrundezugehen.
Jäger töten ausgewachsene Robben auch durch Ertränken, was zwar immer noch gängig aber zwischenzeitlich verboten ist. Die Robben werden unter Wasser in Fallen gefangen, wo sie dann langsam und nach einem verzweifelten Kampf um ihr Leben ertrinken.
Das Abschlachten der Tiere wird meist gar nicht überprüft. Quoten wurden bereits vor Jahren aufgestellt, dabei wurde allerdings der nachweisliche Rückgang der Spezies unberücksichtigt gelassen. Im Jahr 1977 betrug die Tötungsrate in Kanada drei Viertel der neugeborenen Robben. (1)
Aufschrei der Öffentlichkeit
Erst Anfang der 70er Jahre trat das Abschlachten der Robben in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, als Brian Davis, der Begründer des International Fund for Animal Welfare (IFAW), anfing, das jährliche Robbenschlachten zu dokumentieren. Ende 1972 waren bereits die Unterschriften von 1 Million Menschen gesammelt, die ein Ende des Robbenschlachtens forderten; diese wurden der kanadischen Regierung vorgelegt. 1975 wurden der norwegischen Regierung ebenfalls 1 Million Unterschriften vorgelegt mit demselben Verlangen. 1982 wurden 3,5 Millionen Briefe an die EG gesandt mit der Aufforderung, die Einfuhr von Produkten der Babyrobben zu verbieten.
Dann fingen Tierschützer an, die Jagd auf Robben zu blockieren und färbten die Felle der Babyrobben mit unschädlicher roter Farbe, um ihre Felle für die kommerzielle Pelzindustrie wertlos zu machen. 1983 stimmte die EG schließlich einem auf zwei Jahre befristeten Verbot von Babyrobben- Produkten zu. Als das Verbot erneut zur Abstimmung stand, war die Robbenjagd bereits größtenteils beendet und die Jagd in Neufundland und Alaska ganz verboten worden. Trotzdem sprach sich die EG lediglich für ein Verbot für weitere vier Jahre aus.
Es folgte ein fünfjähriges Stillhalteabkommen mit Kanada, bis 1987 die Robbenjagd wiederaufgenommen wurde. In diesem Jahr wurden 42.000 Robben getötet, und zwar nur, weil eine Regierungskommission behauptete, die Robben hätten der Fischindustrie Verluste in Höhe von 23 Millionen $ verursacht.(2) Nach einem Jahr wurde das Verbot jedoch wieder inkraftgesetzt, außer für eingeborene Jäger, denen man nahelegte, lieber ältere als neugeborene Robben zu töten.
Aufgrund des weitverbreiteten Widerstandes, der sich gegen das Töten von Babyrobben regte, investierte die kanadische Regierung 4 Millionen $, um Alternativindustrien auszubauen, darunter auch die Tourismusbranche. Der IFAW spendete ebenfalls 1 Million $ für ein Projekt zugunsten der Einheimischen, damit diese an Touristen verdienen, die Kanada besuchen, um sich lebende Robben und ihre natürlichen Lebensräume vor Ort anzuschauen. Aber obwohl diese Robbenbesichtigungstouren zu einem lukrativen Geschäft geworden sind, hat Kanada 1989 der Kanadischen Robbenvereinigung 5 Millionen $ zugesprochen, damit diese die Jagd wieder stufenweise erhöht. (3)
Immer noch gibt es illegale Robbenjagd - also Wildern - und Norwegen hat die Robbenjagd noch gar nicht verboten. 1989 wurde ein Ermittler der World Society for the Prevention of Cruelty to Animals (Weltvereinigung zur Vermeidung von Grausamkeiten gegen Tiere) Augenzeuge wie Robben mit Metallhaken umhergeschleift und Mutterrobben vor den Augen ihrer Babies abgeschlachtet wurden, und daß Jäger mit den Jagdvorschriften nicht vertraut waren, was dazu führte, daß diese gar nicht zum Tragen kamen.
Tierrechtsgruppen müssen auch weiterhin aktiv bleiben und auf die Pelzindustrie dahingehend einwirken, daß das Robbenschlachten endlich weltweit ein Ende findet.
(1) "From Terrorism to Tourism: Seal Sounding," The Animals' Voice.
(2) "Canada Curbs Hunting of Seals," New Orleans Times Picayune, Jan. 1, 1988.
(3) Greanville, David Patrice, "Sealing Continues," The Animals' Agenda, June, 1989. p. 30.